Waidwunde SPD

Wie ein waidwunder Tiger gebärdet sich der SPD-Vorsitzende Gabriel am Wochenende des LINKE-Parteitages in Erfurt.

Und dabei geht es vor allem um ein Programm, mit dem diese Stadt verbunden ist: Das Erfurter Programm der SPD von 1891. Jenes beinhaltete einen dogmatischen Marxismus, der in den Jahren danach von den SPD-Mitgliedern Bebel, Zetkin, Liebknecht und Luxemburg gegen den in der SPD einsetzenden Revisionismus vertreten wurde. Nun mag die SPD durch den Parteinamen heute der traditionelle Nachfolger des Erfurter Programms sein, wie Gabriel giftsprühend wettert. Aber ob Gabriel die historischen Bezüge alle richtig einzuordnen weiß, mag man bezweifeln.

So war die ostdeutsche SPD in den Nachfolgejahren der Wende in der DDR von 1989/90 an Straßenumbenennungen in den ostdeutschen Kommunen beteiligt. Und sie tilgten hemmungslos auch die Namen der Straßen von Bebel, Liebknecht, Luxemburg und Zetkin. Nicht unbedingt eine historische Tat in Bezug auf das Erfurter Programm.
Auch schon wenige Jahre nach dem Erfurter Programm ging die SPD nicht gerade zimperlich mit den Verteidigern des Erfurter Programms um. Liebknecht und Luxemburg wurden 1919, mittlerweile hatten sie die SPD wegen deren revisionistischen Kurses verlassen, von deutschen Freikorps heimtückisch umgebracht. Nach Berlin geholt und mit den notwendigen Freibriefen ausgestattet wurden diese Freikorps von den SPD-Leuten Ebert und Noske. Ebenso setzte Ebert die Reichswehr gegen streikende Arbeiter ein.

Tief getroffen meint der heutige SPD-Chef Gabriel, die LINKE stehe für die historische Spaltung der Arbeiterbewegung nach der Novemberrevolution von 1918. 1913 wurde der oben bereits erwähnte Ebert neben Hugo Haase Vorsitzender der SPD. Ebert versuchte dann sofort, Haase und Liebknecht aus der SPD zu verdrängen, da sich diese als Kriegsgegner auszeichneten. Ebert dagegen war ein Vaterlandsverteidiger und unterstützte den 1. Weltkrieg. 1916 schloß die SPD 18 Kriegsgegner aus ihrer Fraktion aus. Scheinbar muss Gabriel verdrängen, wer hier wirklich gespalten hat. Insoweit kann es nicht verwundern, dass gerade die SPD 1999 im Kosovo-Krieg erstmals wieder deutsche Truppen in Kampfhandlungen schickte. Das hatte sich vorher nicht mal die CDU getraut. Die SPD stand damit aber wieder ganz in der Tradition von Ebert, jedoch nicht in der vom Erfurter Programm.

Da bleibt nur zu sagen: Herr Gabriel, nicht die LINKE muss sich wegen ihrer Geschichte schämen, sondern die SPD.
Auch wegen ihrer Jüngsten. Wenn Herr Gabriel meint, die SPD hätte die Lösung zur Finanzkrise und die LINKE liege völlig falsch, muss er sich schon fragen, was die SPD in ihrer Regierungszeit davon umgesetzt hat. Aber vielleicht sollte er sich dazu Mal Volker Pispers anschauen (siehe unten), der meint: Ich weiß auch, warum die SPD nicht mit der Linkspartei koaliert - denn dann müsste die SPD ja ihr Wahlprogramm umsetzen!

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22.10.2011 / Torsten Blümel